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Die Welt kodierenDie Welt kodieren

In der Ausstellung »Coder le monde« widmet sich das Centre Pompidou der spannenden Frage nach Programmieraspekten kultureller Techniken. Wie wirkt sich Programmieren auf Sprache, Gestaltung, Architektur, Musik und Performance aus ? Wer offen der immer noch neuen Kulturtechnik begegnet, versteht welche enormen und überraschenden Möglichkeit diese Kulturschaffenden bietet. Warum sollten wir Computer ausschließlich dem Miltär und der Wirtschaft überlassen ?

Programmierung von Kultur

»Coder le monde« heißt die aktuelle Ausstel­lung des Centre Pompidous. Sie untersucht den Einfluss von Computern und Programmierung auf Sprache, Generative Gestaltung, Architektur und Design, Musik und Performance­tanz. Fundiert recherchiert von den Anfängen im 20ten Jahr­hundert bis in die Gegen­wart werden mehrere Zeit­leisten aufgerollt und durch spannende zeit­genössische Exponate der Ordinateur­kunst aufgeloc­kert.

Mit Lochkarten webende Differenzmaschinen

Zunächst über­blicken wir die Pioniere der Computer­techno­logie. Bereits 1822 stellte Charles Babbage eine Differenz­maschine her. Darauf folgte der erste auf Loch­karten­basis programmier­bare Computer der Welt. Seiner Zeit voraus verblieb jedoch die Analytic Engine im Prototyp­stadium. Die damalige Fein­mechanik konnte mit den Anforde­rungen nicht schritt­halten. Dennoch schrieb Ada Lovelace als erste Programmie­rerin der Welt etliche Computer­programme für die besagte Analytic Engine. Sie erkannte über öko­nomische Effizienz­gedanken hinaus die Möglich­keiten programmierter Kunst und Musik. Die geplanten Loch­karten kamen zu dieser Zeit bereits in Web­stühlen zum Einsatz.

Kryptographie, Kybernetik, Informationstheorie und Informationsästhetik

Viele weitere Persön­lich­keiten ebneten den Weg des Computers und seines Gebrauchs in unterschied­lichen Diszi­plinen. Alan Turing mit seiner Turing­maschine zur Ent­schlüsselung der Enigma. Norbert Wiener mit seiner Kyber­netik, die Rück­kopplungen in autonomen Systemen beschreibt. Claude Shannon mit seiner Informations­theorie und der Erfindung des Bits als elemen­tarste Informations­einheit. Max Bense mit seiner Informations­ästhetik und dem Versuch, die Informations­theorie auf Kunst zu über­tragen.

Design und Informatik verschmelzen in Generativer Gestaltung

Zeitgleich mit Bense erschienen die ersten genera­tiven Künstler auf der Bild­fläche. Auf deutscher Seite Frieder Nake, Georg Nees, Herbert Franke und Manfred Mohr. Auf ameri­kanischer Seite Michael Toll und Bela Julesz. Sowohl die Bell Laboratories als auch das MIT prägten die Entwicklung der Computer­kunst. John Maeda gilt als neuerer Weg­bereiter der Fusion von Grafik­design und Infor­matik. Ben Fry und Casey Reas trugen mit der Opensoure­-Software Processing zur Popula­risierung von Program­mierung wesent­lich bei. Deutlich sicht­bar wird auch die Rolle des IRCAM, einem Institut des Centre Pompidous. Gegründet von Pierre Boulez widmet es sich den Programmier­aspekten von Musik.

Die neue formale Sprache von Kunst und Kultur

Über künstle­rische Disziplinen hinweg ist erkennbar, wie mathema­tische Modelle von Visionären und Unerschrockenen in kreativer Art eingesetzt werden. Aus zellulären Automaten lassen sich beispiels­weise Skulpturen mit sogenannten Voxeln formen oder Bewegungs­studien für Choreographien ab­leiten. Auch hier ist einfach wieder künstlerische Phantasie gefragt. Darüber hinaus die Bereitschaft, vom Drang des unmittel­baren Gestaltens ablassen zu können. Wer sich darauf ein­lassen kann, gestal­terische Mittel zu analysieren, zu abstra­hieren und in eine formale Sprache zu über­setzen, wird hier mit­spielen können.

27.08.2018

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