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Einmal Rolle rückwärtsEinmal Rolle rückwärts

Stefan Sagmeister ist vielen Kommunikationsdesignern als Stardesigner bekannt. Seine zuweilen exhibitionistische Persönlichkeit nutzt er gerne für ausgiebige Selbstvermarktung. Zusammen mit Jessica Walsh hat er ein neues Buch über Schönheit herausgebracht. Nach Glück und Schönheit kann thematisch eigentlich nur noch Reichtum folgen.

Ein braunes Rechteck ist die häss­lichste Form und Farbe, während ein violetter Kreis die schönste ist. Diese und andere tief­blickende Erkennt­nisse liefert das Buch Schönheit von Sagmeister und Walsh.

Ornament ist immer noch ein Verbrechen

Als Adolf Loos vor hundert Jahren das Ornament als Verbrechen bezeich­nete und damit die Moderne ein­läutete, hatte er allen Grund dazu: Hand­werk­lich arbeitende Künstler, die teure ornamen­tale Gegen­stände für reiche Industrielle her­stellen auf der einen Seite und das Bau­haus, dass die indus­trielle Massen­produktion und die Gesellschaft gestalten wollte auf der anderen Seite.

Alte reaktionäre Suppe neu aufgekocht

Dass Funktio­nalismus seine Kehr­seiten hatte, ist weniger ihm als denen zuzu­schreiben, die ihn wirt­schaftlich miß­brauchten und nicht verstehen wollten. Wenn hundert Jahre später Star­designer hand­werklich auf­wendiges und teures Design für reiche Indus­trielle her­stellen, um zu beweisen dass sich Schönheit verkauft, hat es weniger mit Funktiona­lismus als mit ihrer Eitel­keit zu tun. Wozu brauchen wir eine Rolle rückwärts, um eine reaktionäre Debatte zwischen Schönheit und Funktion zu führen ? Nach hundert Jahren wissen wir all zu gut, was die Schwächen des Funktiona­lismus sind.

Postfunktionalismus statt Rückschau

Interes­santer wäre es einen Post­funktiona­lismus zu unter­suchen: In einer Welt der künst­lichen Intelligenz mit großen bevor­stehenden gesell­schaft­lichen Umbrüchen wird das Design seine Rolle neu definieren sowie von künst­licher Intelligenz beein­flusst und verändert werden. Möglich, dass manche Star­designer mehr mit sich selbst als mit Ihrer Umwelt beschäftigt sind und diese Fragen es nicht wert sind, überhaupt in Betracht gezogen zu werden.

Polemik statt Wissenschaft

In ihrem Buch Schönheit liefern Sagmeister und Walsh wenig Neues und wenig Über­raschendes, bieten eher Unter­haltung als Wissen­schaft. Wir können den dogma­tischen Polemikern als Jünger folgen oder es lassen: einen kritischen Diskurs auf die Frage nach Schönheit werden wir in ihrem Buch nicht finden. Weil es schöner ist, verkauft es sich besser argumen­tieren sie gerne ihren Kunden gegen­über. Dem kann man eigent­lich nicht viel hinzu­fügen.

21.09.2020

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