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Hochschule für Gestaltung Ulm
Hochschule für Gestaltung Ulm
Hochschule für Gestaltung Ulm

Die kleine Schwester des BauhausesDie kleine Schwester des Bauhauses

Hoch oben auf dem Kuhberg tront die ehemalige Hochschule für Gestaltung über Ulm. Sie ist angetreten das Erbe der Bauhauses nach dem zweiten Weltkrieg fortzuführen und den Geist der Demokratie mit amerikanischen Fördermitteln zu verbreiten. Wie das Bauhaus selbst währte sie politisch nicht lange, konnte sich jedoch als Blaupause vieler Gestal­tungs­schulen in Deutschland durchsetzen.

Der ehemalige Bau­haus­schüler Max Bill baute das Design­kloster auf dem Ulmer Kuhberg

Designkommune zum Aufbau der Demokratie

Ulm gilt als Blau­pause vieler Gestal­tungs­schulen in Deutsch­land. Dem Bau­haus­gelände nach­empfunden, wurden Studie­rende und Lehrende auf dem Kuh­berg in Ulm abge­schottet vom Rest der Welt ein­gepfercht. Über Ulm thro­nend, baute der ehe­malige Bau­haus­schüler Max Bill ein Design­kloster in roher Beton­optik mit ameri­kanischer Unter­stützung, ermög­licht durch die Geschwister Scholl. Zugleich wurde Bill der erste Rektor der HfG Ulm. Eine Design­kommune als Beitrag zum Auf­bau der Demo­kratie sollte es werden, um unkonven­tionelle Gesell­schafts­gestalter von morgen zu bilden, die als lang­mähnige und bärtige Studenten, die genorm­ten Ulmer Bürger schocken wollten.

Systematik des Entwerfens

Während das Bau­haus noch auf hand­werk­liche Erkenntnis­anschauung und künst­lerische Intuition setzte, grenzte sich die Ulmer HfG spätes­tens nach dem Weg­gang von Max Bill über eine Verwissen­schaft­lichung des Design­prozesses ab. Aicher und Maldonado veran­kerten Mathe­matik, Kyber­netik und Semiotik im Ulmer Lehr­plan, was prägend für das Ulmer Modell wurde und nichts weniger als eine Syste­matik des Ent­werfens und eine Metho­dologie des Designs wollte. Gesell­schaft gestal­ten hieß für Ulm auch Organi­sation gestalten und war ein Vor­läufer des heutigen Social Designs.

Fromexperimente mit Kartoffelsalat

Mit der glühenden Fackel der Mathe­matik räucherten die Ulmer den über­höhten Künstler im Gestalter aus und ersetzen ihn durch den prozess­optimier­ten Partner für indus­trielle Ent­scheidungs­prozesse. Viel später half Gui Bon­sieppe an der Kölner Gestalter­schule KISD diesen Prozess fort­zu­setzen und den betriebs­wirtschaft­lich opti­mierten Designer zu formen, während in Ulm Walter Zeischegg noch Zeit für Form­experimente mit Kartoffel­salat blieb. Der asketisch bis­weilen karge Ulmer Funktio­nalismus führte auf der einen Seite mit Kunst­stoff­orgien im Produkt­design zu Ikonen wie dem Schnee­wittchen­sarg oder dem Kodak Carousel unter Hans Gugelot. Auf der anderen Seite brachte es den Ulmern den Ruf sterilen Ent­werfens ein. Der metho­dische Prozess hinter­ließ ein gestal­terisches Skelett.

Denken in Rastersystemen

Denken in Systemen war das erklärte Ziel der Ulmer und verlangte vom Gestalter fächer­über­greifen­des Hirn­schwitzen, jedoch keine Metho­dik um ihrer selbst­willen – aus­gleichend hörten die Jung­designer abends impro­visierten Jazz, soviel Frei­geist wurde ihnen zumindest in den Abendstunden zuge­standen. Vor allem im Produkt­design konnte der Ulmer Ansatz punkten und mit Firmen wie Braun oder Luft­hansa den Beweis der Mach­bar­keit an­treten. Raster­systene ermög­lichen die Koor­dination von Einzel­ementen und er­lauben Varia­bilität der­glei­chen, was indus­trielles Bauen zum Ziel hatte.

Theatralischer Abgang

Am Ende sollte die Schule politisch ihre Selbstän­dig­keit ein­büßen und sich der ansäßigen Ingenieur­hoch­schule unter­ordnen. Darauf­hin löste sie sich unter laut­starkem Protest im Geiste und im Jahr der 68er selbst auf, wohl auch im Blick, sich selbst zu stili­sieren. Dieser thea­tralische Abgang mit abstrusen Nazi- und Mord­ver­gleichen hatte wenig Heroisches, konnte Ulm am Bekannt­werden jedoch nicht stoppen.

Gestaltungslehre mit dogmatischen Anteil

Der dog­matischen Gestaltungs­lehre in Ulm entging offen­bar, dass Mathe­matik sich nicht nur zur Züchtigung von Jungd­esignern eignet, sondern dass sie selbst ein künstle­risches Mittel ist – so frei wie ein geistiger Pinsel. Heute wird das in Kombi­nation mit Infor­matik um so offen­sicht­licher. Lässt man die geis­tige Schere Design bei­seite, wird der Blick frei für Medien­kunst.

17.10.2019

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