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Zwischen Henry Ford und Charles Darwin: Die Bienen­königin Neri OxmanZwischen Henry Ford und Charles Darwin: Die Bienen­königin Neri Oxman

Wo das industrielle Fliessband eines Henry Ford aufhört maschinelle Einzelteile herzustellen, beginnen synthetische Bienenköniginnen organisch gewachsene Strukturen aufzubauen. Die Forschungseinrichtung MIT ist aus gutem Grund weltweit bekannt. Die industrielle Revolution ist weitgehend konstruiert. Darin vermitteln Designer zwischen dem funktional notwendigen Inneren und der äußeren Gesamtform. Im Optimalfall verbinden sich Zweck mit Funktion und Form zu einer scheinbar gewachsenen Einheit. Diesen scheinbaren Widerspruch löst Neri Oxman experimentell auf und zeigt Wege einer möglichen biologischen Produktionsrevolution auf.

Die Badass-­Profes­sorin Neri Oxman mischt das indus­trielle Produktions­design auf: Wer sich 100.000 Seidenraupen per FedEx liefern lässt und sie als Coproduzenten einsetzt, der meint es ernst mit Biodesign.

Henry Ford am Ende der Produktionsstraße

In der konstru­ierten Welt der indus­triellen Revo­lution dominiert das Montage­fließband und der Hand­werks­meißel die Denkweise aller Gestalter. Alles was industriell her­stellt wird, muss zuvor in kleinste Teile zerlegt werden, um am Ende wieder zusammen­gesetzt und geschraubt zu werden. Designer übernehmen oft eine Brücken­funktion zwischen der Welt der Konstruk­tion und dem gestal­teten Äußeren. Nichts davon funk­tioniert so in natür­lichen Wachstums­prozessen. Wie würden von Menschen gestal­tete Produkte aussehen, die wachsen könnten ? Würden wir dann noch soviel Plastik brauchen wie heute ?

Biologisches Wachstum gestalten

Wir leben in einer Zeit großer techno­logi­scher Verän­derun­gen. Neri Oxman zeigt mit ihrem Team am MIT in grenz­gänge­rischer Art techno­logische Wege vom indus­triellem Fließ­band hin zum bio­logi­schem Wachstum: Die Über­schneidung von Computa­tional Design, additiver Fabri­kation mit 3D-Druckern, Material­technik und synthe­tischer Bio­logie ermög­licht dabei Dinge aus einem einzigen Material organisch zu gestalten und bio­logisch wachsen zu lassen. Mit Chitin lassen sich stabile Buck-­Minster-­Fuller-­Kuppeln drucken, die Plastik eben­bürtig sind. Seiden­raupen werden zu Co­produ­zenten von Kugel­strukturen in großem Maßstab. Synthe­tische Bienen­königinnen steuern ein ganzes Volk von Bienen, um vom Menschen aufgesetzte Strukturen im Weltall zu produ­zieren.

Aufkeimende Revolution von Produktionsprozessen

Als Professorin am MIT mit einem inter­diszi­plinären Hinter­grund in Archi­tektur und Medizin erfindet sie mit ihrem ebenso inter­diszi­plinären Team eine Arche Noah der Zukunft mit nach­haltigen Mate­rialien im Proto­typ­stadium. Wie einst John Maeda Computer­wissen­schaft und Design vereint hatte, beschwört Neri Oxman heute eine Revolution unserer Produktions­prozesse hin zum Bio­logischen. Ihre Werke sind ebenso schön wie wissen­schaft­lich funktions­fähig. Sie selbst sagt, dass Schön­heit nur dann Zukunft hat, wenn sie auch nach­haltig funktio­niert. Für Björks Album Vulnicura gestal­tete sie eine bizarre organische post­apokalyp­tische Gesicht­smaske aus gewachsenen Muskel­fasern. Ihre Werke sind in Museen wie dem Centre Pompidou und dem MoMa zu sehen. Als Badass des MIT erregt sie ebenso in wissen­schaft­lichen Kreisen Aufsehen. Man darf gespannt sein auf die Zukunft.

06.10.2019

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