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Gestalt­psycho­logischer Assembler früher Computerspiele Gestalt­psycho­logischer Assembler früher Computerspiele

Sind Spiele und Filme besser weil Sie mehr Pixel enthalten ? Materialistischer kann man eine Weltanschauung wohl kaum äußern. Ein Fernseher mit 8K ist erstmal wesentlich teuer als einer mit 1K. Auflösung hat nichts mit einer Geschichte oder mit Gestaltung zu tun. Im Gegenteil drängt ein Künstler mit mehr Pixeln mehr seiner eigenen Fantasie seinem Betrachter auf als mit weniger. Ein gutes Logo lebt von Reduktion und eben nicht von Details. Es braucht kein Konfetti um eine Idee zu erzählen. Im Gegenteil lässt sich seine Geschichte um so besser merken, je weniger Details vorhanden.

Niederschwelliger Fantasiezugang

Wir tauchen in eine künstliche Welt ein – ist sie immersiver, je technisch genauer und bunter sie modelliert ist ? Ist 8k besser als 1k weil sie mehr Pixel hat ? Materiell gesehen ist mehr immer besser als weniger. Je mehr ein Künstler seine eigene fantastische Vorstellung seinem Zuschauer aufdrückt, desto weniger Raum lässt er ihm zum eigenen Vervollständigen. Die technisch perfekte Immersion mit niederschwelligem Fantasiezugang mutiert am Ende zu reinem Kitsch.

Das geschlossene System der Unterhaltungsindustrie

Unterhaltungsindustrie wie Hollywood ließ möglichst wenig Raum für eigene Interpretationen, im Gegensatz zum Autorenkino, das dem Zuschauer Denken und Mitdenken abverlangte. Visuell ästhetisch grenzen sich offene Systeme von geschlossenen ab. Während das geschlossene System Fantasie bevormundet, liefert die Andeutung Platz zur Interpretation und bietet inneren Dialog durch Herausforderung.

Kraft technischer Beschränkungen

Frühe Computersysteme wie ein Commodore 64 oder gar ein Commodore 16 lebten von technischen Beschränkungen – gerade deswegen entwickelte sich daraus gestalterische Kraft. Brutaler Oszillator-Chip-Sound, wenige reine RGB-Farben und eine rohe Pixelwelt verlangte viel Fantasie vom Spielenden, um sie zu glätten und mit Leben zu füllen – eben jener Dialog mit Andeutungen.

Brutale Pixelrealität und sägende Oszillatoren

Gegensätzlich dazu wurden die Cover jener Computerspiele in matten und matschigen Printfarben verschämt traditionell und detailiert gestaltet. Eine für Fantasielose und Blinde illustrierte Welt, die möglichst gegenständlich die brutale Pixelrealität eines 320 x 200 Screens in 16 Farben mit zwei sägenden Oszillatoren vergeblich versuchte zu erklären, während ihre Benutzer aufjubelten. Auf dem heimischen Fernsehapparat zerstörte der Heimcomputer den einseitigen medialen Informationsfluss ohne Rückkanal.

Gestaltpsychologischer Assembler

Die Macher dieser Spiele mussten die 16 Kilobyte eines C16 bis ins Äußerste auf Assemblerebene – also in reiner Maschinensprache – manipulieren, um dem zeilenbasierten System Spielewelten zu entlocken. Die Grafik war gestaltpsychologisch zweidimensional klar und oft ähnlich kraftvoll wie gute Logos, die von Reduktion leben. mit wenigen verfügbaren Farben, mit starken grafischen Mustern, um mehr Zwischentöne zu erzeugen, erinnert diese frühe Phase der Computergrafik an Kinderzeichnungen auf Drogen. Einer dieser epischen Spiele war Tom, der die grafisch und farblich expressive Unterwelt einer Pyramide mit seltsamen Wesen durchquerte. Weniger ist doch mehr – wie auch schon die Pioniere des Bauhauses wie Walter Gropius wussten.

19.0.2020

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