Schleife des digitalen Zeitalters
Was das Zahnrad für die Industrialisierung war, ist die Schleife für das digitale Zeitalter und seine Berechnung im Computer. Befreit von materiellen Zwängen und Risiken entfaltet Digitalisierung ihre Superkräfte, wenn sie unermüdlich einen gigantischen Datendschungel durchforstet und mit neuronalen Netzwerken ihre Schlüsse daraus zieht. Google, Facebook und Instagram versteht nur, wer versteht, dass die unermüdliche Schleifenlogik von Computern diese Konzerne erst ermöglicht hat – und eben keine händische Arbeit.
Universelle Maschinensprache
Wer Maschine spricht versteht die neue Zeitrechnung. Während Design in der materiellen Welt des vergangenen Jahrhunderts hängengeblieben ist, hat das neue Bauhaus des Silicon Valleys die Welt im Scrum-Modus mit iterativen Prototypen erobert – mit den Minimal Viable Products. In der alten industriellen Welt war das perfekte Design ein Nadelöhr der kostspieligen physikalischen Produktion. Im Wasserfallprinzip wurden Zuständigkeiten verteilt. Als Filter fungierende Geschmacks- und Qualitätseliten bestimmten, was würdig war das Licht der Welt zu erblicken. Im Tempel der Technologie entscheidet die Schnelligkeit eines sinnvollen Updates über die Qualität eines immateriellen Produkts im Gegensatz zur mühseligen Perfektion des Designtempels.
Stilverliebte Designer
John Maeda beschreibt in seinem neuesten Buch »How to Speak Machine« wie sich Berechnung auf Gesellschaft auswirkt und warum Design die neue digitale Welt nicht mehr länger prägt, wie es eins die alte Welt geprägt hatte. Obwohl er im Kern die sinnlose Stilverliebheit vieler Gestalter trifft, scheint er die grundsätzlichen Bauhausideen selbst nicht verstanden zu haben. Natürlich war das Bauhaus angetreten, den industriellen Prozess menschengerecht zu gestalten und natürlich lässt dieser Ansatz sich nicht direkt auf einen digitalen übertragen. Dennoch beschreibt Maeda Designer zu polemisch als formverliebte Stilsklaven. Dass Form einer Funktion folgt, spielt in seinen Designbetrachtungen keine Rolle.
Marktforschung in Echtzeit
Die permanente Rückkopplung und Überwachung des Users zum Zwecke einer iterativen Produktoptimierung dient als Ersatz einer vom Designer veranstalteten One-Man-Show. Während Designgenies subjektive Entscheidungen fällen, verlässt sich der Technologietempel auf statistische Auswertungen erfolgsversprechenster Designvarianten in A/B-Testings. Eine Echtzeitmarktanalyse beobachtet und erkennt Userverhalten und macht Diskussionen im Vorfeld scheinbar überflüssig. In einer effizienzgesteuerten Onlinekommunikation bleibt wenig Spielraum für Individuelles – daher überrascht die visuelle Einförmigkeit der Webkommunikation auch nicht weiter. Was zu Erfolg führt lässt sich im Netz leicht messen und wird in Markforschungsergebnissen betoniert. Dennoch braucht Gestaltung einen Ausgangspunkt, der sich nicht immer wieder aus Absicherung und Kopien von Bewährtem speisen kann.
Moorscher Fortschrittsglaube
Zu sehr schlägt in Maeda der Marketer durch, der im Dienste von technologischen Start-ups Gestaltern auf dem neuen Sklavenschiffs des moorschen Fortschritts jegliche Selbstverwirklichung abspricht. Wer Wasser predigt und selbst Wein trinkt, reiht sich ein in die Ahnengeschichte der vielen Designdogmatiker – wenn auch in seinem Fall wider Willen. Maeda selbst rühmt sich mit seinen Werken, die im MoMa Museum hängen – spricht zur gleichen Zeit der jetzigen Generation ab, sich selbst mit ihrer Arbeit verwirklichen zu dürfen.
Amerikanischer Utilitarismus
Zu sehr erinnert seine Argumentationskette an einen amerikanischen Utilitarismus, der einzig und allein die Geldgier von Investoren befriedigt. Die Industrialisierung hatte einst den Arbeiter vom Handwerk entfremdet und ihm die Selbstwirksamkeit seiner Tätigkeit genommen. Natürlich macht Digitalisierung dort weiter wo Industrialisierung aufgehört hat. Im Kern hat Maeda jedoch recht, dass Designer allzuoft gesellschaftlich technologische Umbrüche für stilistische Moden halten. Weigert sich ein Designer die Zukunft kritisch zu umarmen, bleibt im nur eine traditionelle Flucht in die Vergangenheit.