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Das moorsche Sklaven­schiff ameri­kanischer Utili­taristenDas moorsche Sklaven­schiff ameri­kanischer Utili­taristen

John Maeda gilt als Pionier generativer Gestaltung, der Informatik und Gestaltung in einer Person vereint und populär gemacht hat. Der ehemalige Professor am MIT hat die Hochschullehre hinter sich gelassen. Im Management des Silicon Valley angekommen, hat er nun ein neues Buch geschrieben. »How to Speak Machine« erklärt wie Maschinensprache unsere Gesesellschaft verändert hat und wie sie zum neuen Alphabet mutiert ist. Was einst das Bauhaus des 20ten Jahr­hunderts war, ist heute das MIT. Was einst der perfektionistische Designer für den Produktionsprozeß war ist heute das Minimal Viable Product. Während sich digitaler Service dauerhaft optimierten lässt, ist industrielle Fertigung äußert unflexibel.

Schleife des digitalen Zeit­alters

Was das Zahn­rad für die Indus­triali­sierung war, ist die Schleife für das digitale Zeit­alter und seine Berech­nung im Computer. Befreit von materie­llen Zwängen und Risiken ent­faltet Digi­tali­sierung ihre Super­kräfte, wenn sie unermüd­lich einen gigan­tischen Daten­dschungel durch­forstet und mit neuronalen Netz­werken ihre Schlüsse daraus zieht. Google, Facebook und Instagram versteht nur, wer versteht, dass die unermüd­liche Schleifen­logik von Computern diese Konzerne erst ermög­licht hat – und eben keine hän­dische Arbeit.

Universelle Maschinen­sprache

Wer Maschine spricht versteht die neue Zeit­rechnung. Während Design in der mate­riellen Welt des ver­gan­genen Jahr­hunderts hängen­geblie­ben ist, hat das neue Bau­haus des Silicon Valleys die Welt im Scrum-Modus mit itera­tiven Proto­typen erobert – mit den Minimal Viable Products. In der alten indus­triellen Welt war das perfekte Design ein Nadelöhr der kost­spieligen physi­kalischen Produktion. Im Wasser­fall­prinzip wurden Zu­ständig­keiten verteilt. Als Filter fungierende Geschmacks- und Qualitäts­eliten bestimmten, was würdig war das Licht der Welt zu er­blicken. Im Tempel der Techno­logie ent­scheidet die Schnellig­keit eines sinn­vollen Up­dates über die Qualität eines imma­terie­llen Produkts im Gegen­satz zur müh­seligen Perfektion des Design­tempels.

Stilverliebte Designer

John Maeda beschreibt in seinem neuesten Buch »How to Speak Machine« wie sich Berech­nung auf Gesell­schaft aus­wirkt und warum Design die neue digitale Welt nicht mehr länger prägt, wie es eins die alte Welt geprägt hatte. Obwohl er im Kern die sinn­lose Stil­verlieb­heit vieler Gestalter trifft, scheint er die grund­sätz­lichen Bau­haus­ideen selbst nicht ver­standen zu haben. Natürlich war das Bau­haus ange­treten, den indus­triellen Prozess menschen­gerecht zu gestalten und natürlich lässt dieser Ansatz sich nicht direkt auf einen digitalen über­tragen. Dennoch beschreibt Maeda Designer zu polemisch als form­verliebte Stil­sklaven. Dass Form einer Funktion folgt, spielt in seinen Design­betrachtungen keine Rolle.

Marktforschung in Echtzeit

Die perma­nente Rück­kopplung und Über­wachung des Users zum Zwecke einer itera­tiven Produkt­optimierung dient als Ersatz einer vom Designer veran­stalteten One-Man-Show. Während Design­genies subjektive Ent­scheidun­gen fällen, verlässt sich der Techno­logie­tempel auf statistische Aus­wertungen erfolgs­versprechen­ster Design­varianten in A/B-Testings. Eine Echtzeit­markt­analyse beobachtet und erkennt User­verhalten und macht Diskussionen im Vor­feld scheinbar über­flüssig. In einer effizienz­gesteuerten Online­kommunikation bleibt wenig Spiel­raum für Indivi­duelles – daher über­rascht die visuelle Ein­förmigkeit der Web­kommunikation auch nicht weiter. Was zu Erfolg führt lässt sich im Netz leicht messen und wird in Mark­forschungs­ergeb­nissen betoniert. Dennoch braucht Gestal­tung einen Ausgangs­punkt, der sich nicht immer wieder aus Absiche­rung und Kopien von Bewährtem speisen kann.

Moorscher Fort­schritts­glaube

Zu sehr schlägt in Maeda der Marketer durch, der im Dienste von techno­logi­schen Start-ups Gestaltern auf dem neuen Sklaven­schiffs des moorschen Fort­schritts jegliche Selbst­verwirk­lichung abspricht. Wer Wasser predigt und selbst Wein trinkt, reiht sich ein in die Ahnen­geschichte der vielen Design­dogmatiker – wenn auch in seinem Fall wider Willen. Maeda selbst rühmt sich mit seinen Werken, die im MoMa Museum hängen – spricht zur gleichen Zeit der jetzigen Gene­ration ab, sich selbst mit ihrer Arbeit verwirk­lichen zu dürfen.

Amerikanischer Utilitarismus

Zu sehr erinnert seine Argumen­tations­kette an einen ameri­kanischen Utili­tarismus, der einzig und allein die Geld­gier von Inves­toren befriedigt. Die Indus­tria­lisierung hatte einst den Arbeiter vom Hand­werk ent­fremdet und ihm die Selbst­wirksamkeit seiner Tätig­keit genommen. Natürlich macht Digi­tali­sierung dort weiter wo Indus­triali­sierung auf­gehört hat. Im Kern hat Maeda jedoch recht, dass Designer allzuoft gesell­schaftlich techno­logische Umbrüche für stilis­tische Moden halten. Weigert sich ein Designer die Zukunft kritisch zu umarmen, bleibt im nur eine traditio­nelle Flucht in die Vergan­gen­heit.

06.03.2020

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