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Desktop Publishing Grundlagen 1

Desktop Publishing ist die rechnergestützte Herstellung von Typografie mit dem Ziel eines physikalisch anfassbaren Objekts. Dabei werden Schrift und Bildelemente im Gegensatz zur Textverarbeitung frei auf einer Formatfläche angeordnet. Die digitalen Daten werden im Anschluss meist auf Papier zu Faltblättern, Prospekten, Büchern und Zeitschriften materialisiert.

Typografie lässt sich in eine Makroebene und Mikroebene unterteilen und untersuchen. Typografie macht Anleihen bei anderen Wissenschaften und Kunst. Dabei wird sie von Proportionslehre, Harmonielehre, Gestaltpsychologie, Konkreter Kunst, Kommunikationswissenschaften und rechnerbasierten Aspekten geprägt. Typografie ist Anschauung mit ausführlichem Regelwerk.

 

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Einleitung

Proportionslehre und Harmonielehre

Proportionslehre und Harmonielehre sind Teilgebiete von Geometrie und Algebra. Sie kommen in verschiedenen Künsten zum Einsatz – unter anderem in Musik, Gestaltung oder Architektur. Zahlen bilden oft das Grundgerüst auf das sich ein Künstler bewusst oder unbewusst austobt. Die bloße Tatsache, dass wir einen Computer zum Gestalten verwenden, führt zur mathematischen Berechenbarkeit und Reproduzierbarkeit aller Formen die wir darin erstellen. Nicht ohne Grund verwenden wir einen Rechner, um unsere Gestaltung an einer Druckmaschine in beliebiger Anzahl und an einem beliebigen Ort reproduzieren zu können. In der Musik gibt es ohne Takt keinen Rhythmus. Das Systematische in der Musik erlaubte Beethoven sogar dann noch weiter zu komponieren als er bereits taub war. Der Blick über den Tellerrand hilft die eigene Disziplin besser zu verstehen.

Dynamisches Wachstum mit Fibonacci-Reihe

Signore Fibonacci entdeckte anhand von Naturstudien und der anschließenden Algorithmisierung ein vielen Pflanzen innewohnendes proportionales Wachstumsgesetz. Er formulierte eine rationale Zahlenreihe, die wir heute als Fibonacci-Reihe kennen. Aufgrund des ganzzahligen Charakters lässt sich diese Reihe einfach merken und im Zusammenhang mit typografischen Proportionsentscheidungen leicht einsetzen. Die nächstfolgende Zahl setzt sich dabei immer aus der Summe der beiden vorhergehenden zusammen. Dieser Teilungskanon wird als besonders ästhetisch empfunden, weil er ein größeres Ganzes schafft, bei dem die Summe ein harmonisches Proportionsverhältnis zu seinen Teilen bildet.

Dynamisches Wachstum mit Goldenem Schnitt

Die Teilung von Strecken nach dem Goldenen Schnitt ist der Fibonacci-Reihe ähnlich basiert jedoch auf irrationalen Zahlen mit einem Verhältnis von 1:1,618. Auch hier stehen die Teilstrecken einer ganzen Strecke im harmonischen Verhältnis zur Gesamtstrecke. Der Goldene Schnitt beschreibt neben der einfachen Streckenteilung ein dynamisches Wachstumsgesetz, dessen Geometrie sich sowohl in Mikrokosmos als auch im Makrokosmos bei organischer und anorganischer Materie finden lässt. Die Geometrie einer Natilusmuschel gleicht dem eines Wasserwirbels, dem eines Wirbelsturms und dem einer Spiralgalaxie. Ein kosmosweites Proportionsgesetz beflügelt seit seiner Entdeckung zu allen Zeiten die Phantasie von Künstlern und Gestaltern. Sie fühlen sich davon animiert in eigenen Kreationen diese scheinbar magischen Zahlenverhältnisse einzusetzen und ihnen besondere ästhetische Eigenschaften zuzuschreiben.

Proportionsverhältnisse

Die Fibonacci-Reihe eignet sich in der Typografie als ein leicht einzusetzendes Werkzeug. Es lassen sich beliebig viele Eigenschaften von Objekten in Proportion zueinander setzen und im Ergebnis harmonisch wirken zu lassen. Im einfachsten Fall kann es sich bei zwei Zahlen um die Höhe und Breite eines Seitenformats handeln. Vier Zahlen können wir als Randabstände eines Satzspiegels verwenden. Die Anwendungsfälle sind beliebig und universell erweiterbar.

 

Gestaltpsychologie

Gestalt- und Wahrnehmungspsychologie ist voller umfangreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gesetzmäßigkeit des Sehens. Schematische Beispiele verdeutlichen grundlegende Phänomene der neuronalen Mustererkennung – in der Theorie ein Schema in der visuellen Praxis ein konkretes Bild. Gestaltpsychologie lässt sich auf typografische Phänomene anwenden.

Gesetz der einfachen Form

Wir präferieren im vorliegenden Beispiel die einfacheren Grundformen des Dreiecks und Rechtecks wahrzunehmen statt der zusammengesetzten Umrissform aus Dreieck und Rechteck, die wir im Grunde nicht beschreiben können. Im Zweifel gibt unser Wahrnehmungsapparat der einfacheren Form den Vorzug. Auf der Mikroebene bilden Satzkolumnen Formen deren Aussehen wir nach dem Gesetz der einfachen Form beurteilen können. Auf der Makroebene gruppieren sich Bild und Text zu größeren Formeinheiten, die wir ebenfalls – zum Teil zumindest – nach dem Gesetz der einfachen Form beurteilen können.

Gesetz der Nähe

Näher aneinander platzierte Objekte werden als zusammengehörend empfunden. Durch Nähe entsteht Gruppierung. Durch Gruppierung entsteht Einheit. Durch Nähe von Einheiten entstehen Übergruppierungen. Die Hierarchisierung von Raum ist die hauptsächliche Aufgabe von Typografie. Durch Abstände schaffen wir Orientierung. Der Abstand ist der Antagonist – Gegenspieler – von Nähe. Das Gesetz der Nähe ist das wichtigste Gesetz der Typografie. Damit lassen sich die meisten Phänomene erläutern.

Gesetz der einfachen Fortsetzung

Linienführung hat eine innere visuelle Logik der einfachen Fortführung. Nach dem Kreuzungspunkt zweier Linien erwarten wir, dass die Gerade mit der Geraden fortgeführt wird und die Geschwungene mit Geschwungenen. Form baut eine Erwartungshaltung auf, die wir typografisch zur besseren Orientierung des Lesers einsetzen können. Die Erwartungshaltung kann eine wiederkehrende Form als Stilelement zur Vermittlung einer Informationsart betreffen. Die Erwartungshaltung kann sich auf die Position eines bestimmten Elements wie einer Seitenzahl oder eines Kolumnentitels beziehen.

Gesetz der Ähnlichkeit

Formen mit ähnlichen Merkmalen werden als Teil einer zusammengehörenden Gruppe wahrgenommen, auch wenn sie räumlich verteilt sind und das Gesetz der Nähe nicht mehr greift. Rechteckte mit gleichen Proportionen und Größen werden als zusammengehörend empfunden. Das scheinbare Chaos löst sich alsbald zu drei Gruppen von Rechtecken auf: Quadrate, breite Rechtecke, und schmale hohe Rechtecke. Mit Ähnlichkeit können wir weitere Hierarchisierungen von Information vornehmen. In einer Satzkolumne könnten wir bestimmte Wörter mit einem anderen Schriftschnitt hervorheben, um sie über den Raum verteilt zu einer Gruppe mit ähnlichem Merkmal zusammenzufassen.

 

Technik

Die Geschichte der Typografie reicht ganze 500 Jahre zurück bis zu Gutenberg. Viele typografische Begriffe stammen aus der Zeit des Bleisatzes. Im Laufe der technologischen Entwicklung hat sich die Herstellung von Typografie vor allem in der Nachkriegszeit schnell und tiefgreifend verändert. Im Wesen ist sie jedoch gleich geblieben. Auch wenn wir heute einen Computer zum Herstellen von Typografie verwenden, ahmen die von Grafikern verwendeten Programme einen ehemals analogen Prozess digital nach. Satzprogramme orientieren sich an dem klassischen Handwerk einer Satzwerkwerkstatt, Zeichen- und Malprogramme an echten Leinwänden. Das Interface der Programme erleichtert den Zugang zum Rechner durch visuelle Metaphern. Hinter den Metaphern befinden sich Funktionen, die die physikalische Realität möglichst getreu nachbilden sollen.