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AllgemeinMajuskelzurichtung
Majuskelgruppen
Minuskelzurichtung
Minuskelgruppen
Kerning
Kerninggruppen
Gestalten wir die Form der Buchstaben eines Alphabets, so gestalten wir die materielle Seite davon. Der Raum dazwischen wirkt natürlich ebenfalls mit und muss ebenso mitgestaltet werden. Dieser Raum wird über Abstände zwischen den Buchstaben gestaltet. Unendlich viele Buchstabenkombination, die Wörter bilden, machen eine Zurichtung der Abstände ohne System so gut wie unmöglich. Dabei tragen Buchstabenabstände entscheidend zur Lesbarkeit einer Schrift bei. Neben einer allgemeinen Beschreibung was Zurichtung ist und welche Faktoren die Lesbarkeit von Schriften beeinflußen fasse ich eine Systematik zur analytischen Bestimmung von Buchstaben nach Walter Tracy anhand von Buchstabenbildern zusammen.
Zwischen Grundformenpaaren mit jeweils mathematisch gleichem Abstand bilden sich optisch unterschiedlich große Abstände. Das Ziel von Zurichtung ist die die optischen Abstände auszugleichen. Der größte optische Abstand bildet sich zwischen zwei Diagonalen, der kleinste zwischen zwei Senkrechten. Die Regel beim Zurichten heißt den kleinsten Raum zu vergrößern und den größten Raum zu erkleinern, sodass wir in der durchschnittlichen optischen Fläche landen.
Buchstaben lassen sich nach den drei Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck sowie Mischformen derselben in Formgruppen einteilen. Die Einteilung in Formgruppen hat direkte Auswirkung auf die Zurichtung von Vor- und Nachbreiten. Formgruppen mit Diagonalen weisen wir eine minimale Vor- beziehungsweise Nachbreite zu. Formgruppen mit Senkrechten weisen wir eine maximale Vor- beziehungsweise Nachbreite zu. Formgruppen mit Rundungen weisen wir eine mittlere Vor- beziehungsweise Nachbreite zu.
Die Laufweite einer Schrift in ihrer Grundeinstellung ergibt sich aus den Vor- und Nachbreiteneinstellungen der einzelnen Buchstaben. Mit anderen Worten bestimmen die Vor- und Nachbreite die Laufweite einer Schrift. Unabhängig davon kann in Layoutprogrammen die Laufweite nachträglich vergrößert oder verkleinert werden, jedoch immmer nur im Gesamten. Die proportionale Basis bildet die Vor- und Nachbreiten.
Das Schriftbild wird von unterschiedlichen Faktoren wie Form der Buchstaben, Zurichtung, Zeichenabstand, Kerning und Wortabstand beeinflußt. Eine gute Zurichtung wird durch folgende Faktor erreicht. 01 Eine Schrift besitzt eine gute Zurichtung wenn längere Texte einen gleichmäßigen und einheitlichen Grauwert aufweisen, ohne helle und dunkle Flecken. 02 Buchstabenabstände entsprechen Binnenräumen 03 Großbuchstaben werden weiter zugerichtet als Kleinbuchstaben 04 Schmallaufende und fette Schriftschnitte werden weiter zugerichtet als magere oder breitlaufende Schriften 05 Kleinere Schriften brauchen größere Räume als Headlineschriften 06 Mode hat Einfluss auf Zurichtung etwa enge Zurichtung Serifenloser in 60er und 70er und weitlaufende historisierende Schriften 07 Gute Zurichtung ist unsichtbar
Das ordentliche Zurichten der Vor- und Nachbreiten ist entscheidend für das Aussehen einer Schrift. Kerning ist nur das Nachbessern von unvermeidlichen Lücken die beim Zurichten entstehen.
Der Zeichenabstand zwischen Buchstaben wird mit Hilfe des Zeichenbreite eines kleinen i und dem Abstand des Buchstabenpaars klein a und klein n normiert. Bei Alphabeten mit regulärem Schnitt beträgt der Abstand zwischen a und n exakt die Breite eines kleinen i. Bei leichten Schnitten beträgt der Abstand die doppelte Breite eines i. Bei fetten Schnitten beträgt der Abstand die Hälfte der Breite eines i.
Asymmetrische Buchstaben brauchen unterschiedliche Vor- und Nachbreiten.
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Die Zurichtungsmethode von Walter Tracy trennt zunächst die Großbuchstaben von
Kleinbuchstaben. Wir fangen mit den Großbuchstaben an und legen die Breite eines großen H
und anschließend die Breite eines großen O fest. Daraus können
wir fünf Regeln für alle anderen Buchstaben ableiten, die nachfolgend beschrieben und
nummeriert sind. Diese Regeln werden dann als Hinweis einer Zahl vor dem Buchstaben für
die Vorbreite und nach dem Buchstaben für die Nachbreite geliefert.
Regeln für Großbuchstaben
1 Gleiche Vor- bzw. Nachbreite wie beim H
2 Etwas geringere Vor- bzw. Nachbreite als beim H
3 Halbe Vor- bzw. Nachbreite des H
4 Minimale Vor- bzw. Nachbreite
5 Gleiche Vor- bzw. Nachbreite wie beim O
Bei großen H wählen wir als Vor- und Nachbreite 25% bis 50% der Binnenraums. Zur Überprüfung unserer Einstellungen machen einen optischen Mustertest indem wir vier große H nebeneinander setzen. Ist der Grauwert des Musters "HHHH" gleichmäßig können wir fortfahren, ansonsten passen wir die Vorbreite solange an bis der Grauwert gleichmäßig erscheint. Was wir unter einem gleichmäßigen Grauwert dieses Musters zu verstehen haben, können wir anhand von etablierten Schriften mit exakt dem gleichen Muster studieren.
Während beim H 25% bis 50% der Binnenraums sowohl für die Vorbreite als auch Nachbreite genommen wird, orientieren wir uns beim O an H. O erhält eine etwas kleinere Vor- und Nachbreite wie das H. Die Einstellungen von Vor- und Nachbreiten lassen sich mit einem Schriftprogramm wie Glyphs, Fontlab oder Fontographer auslesen und anhand von bereits bekannten und etablierten Schriften studieren. Auf diese Art erhalten wir einen Anhaltspunkt für die Bedeutung von "etwas kleiner als beim H".
Auch beim O überprüfen wir die Einstellung der Vor- und Nachbreite mit einem Muster zunächst aus der Buchstabenkombination "HOH". Stimmt der Grauwert in Gleichmäßigkeit können wir fortfahren, muss er korrigiert werden, kehren wir zur Vor- und Nachbreite vom O zurück. Stimmt das Muster "HOH" gehen wir über zum Muster "HHOHH" und verfahren entsprechend.
Da wir die Vor- und Nachbreiten von H und O bestimmt haben, können wir
dazu übergehen die fünf daraus abgeleiteten Regeln auf Formgruppen der
Großbuchstaben zu übertragen.
Regeln für Großbuchstaben
1 Gleiche Vor- bzw. Nachbreite wie beim H
2 Etwas geringere Vor- bzw. Nachbreite als beim H
3 Halbe Vor- bzw. Nachbreite des H
4 Minimale Vor- bzw. Nachbreite
5 Gleiche Vor- bzw. Nachbreite wie beim O
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Nach den Großbuchstaben gehen wir zu den kleinen Buchstaben über und fangen mit n an. wir messen die Breite des Binnenraums und nehmen davon 25% bis 50% als Vorbreite.
Wir überprüfen unsere Einstellung für Vor- und Nachbreite anhand des Musters "nnnn" und korrigieren entsprechend oder fahren mit o fort.
Wir wählen die Vor- und Nachbreite von o etwas kleiner als beim n.
Wir überprüfen erneut den Grauwert unseres Musters "non" und korrigieren bei Bedarf die Vor- und Nachbreite des o. Anschließend fahren wir mit weiteren Mustertests fort und korrigieren entsprechend.
Da wir die Vor- und Nachbreiten von n und o bestimmt haben, können wir
dazu übergehen die sieben daraus abgeleiteten Regeln auf Formgruppen der
Kleinbuchstaben zu übertragen.
Regeln für Kleinbuchstaben
1 Gleiche Vorbreite wie beim n
2 Gleiche Nachbreite wie beim n
3 Etwas größere Vorbreite als beim n
4 Minimale Vor- beziehungsweise Nachbreite
5 Gleiche Vor- beziehungsweise Nachbreite wie beim o
6 Etwas geringere Vor- bzw. Nachbreite als beim o
* Muss nach Augenmaß festgelegt werden
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Das sorgfältige Zurichten von Vor- und Nachbreiten gewährt bereits zu neunzig Prozent richtige Abstände innerhalb einer Schrift. Es gibt typischerweise bestimmte und bekannte Buchstabenkombinationen, die große optische Löcher in Wortbilder schlagen, etwa alle Kombinationen des großen T und Kleinbuchstaben.
Im Wortbild "Tat" lässt sich die optische Lücke zwischen T und a selbst nach sorgfältigem Zurichten nicht lösen.
Verbleibende zehn Prozent von Buchstabenabständen lassen sich nur mit Unterschneidung, dem sogenannten Kerning, lösen. Kerning fügt beim Wortbild "Tat" negative Korrekturwerte Vor- und Nachbreite optisch auszugleichen.
Kleinbuchstaben ohne Oberlänge wie a werden mit Kerning unter das Dach des großen T mit einem negativem Kerningwert geschoben, sodass die vorher bestehende optische Lücke reduziert wird.
Die historisierende Lösung geht den gegenteiligen Weg. Die Lücke zwischen T und a nach dem Zurichten wird belassen und als Maß verstanden. An diesen Abstand werden die anderen Buchstabenkombinationen angeglichen. Die Folge ist ein weitlaufend wirkendes Schriftbild. Diese Methode stammt aus dem Bleisatz und hat im Gegensatz zum Unterschneiden des Bleikegels ausgleichende Bleiplättchen hinzugefügt.
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Von Unterschneidungen profitieren besonders Buchstaben mit offenen und diagonalen Formen.
Kleinbuchstaben ohne Oberlängen brauchen eher Kerning wie welche mit Oberlängen.
Folgende Buchstaben brauchen am häufigsten Kerningausgleich.